Alles mit Allem
Eine Theaterprobe
Sehr frei nach Gotthold Ephraim Lessing „Nathan der Weise“
Jede öffentlichen Wiedergabe, auch von Teilen des Textes, bedarf einer
ausdrücklichen vorherigen schriftlichen Zustimmung der Autorin Martina Rockstroh in Form eines Aufführungsvertrages, in dem alle Modalitäten
festgelegt werden.
Personen:
Nathan: Händler jüdischen Glaubens
Recha: seine Tochter, angenommenes christlich getauftes Kind
Matri: Haushälterin/ Kinderfrau
Ahmad: junger Mann aus der Wüste (gelten als unzivilisiert)
Soldat/ Mönch
Dominato: Herrscher, konfessionslos
Fortuna: seine Schwester, konfessionslos
Moleste: Mitarbeiter im Herrscherhaus
Prior eines Klosters
Marla und Emil: Enkelkinder von Nathan ca. 2 + 6 Jahre alt
Stimme: Wir fangen jetzt an! Alles auf die Plätze! Und bitte!
Prolog
Ort: Niedergebranntes Haus
Nathan liegt in der Asche.
Ein Soldat mit einem Bündel in der Hand sucht in den Ruinen.
Soldat: Nathan, Naaathan!!!! Sieht einen Mann in der Asche liegen. Ist da
jemand?
Hey du,(stößt Nathan mit dem Stiefel in die Seite). Lebst du?
Nathan: Hau ab, geh, verschwinde, lass mich in Ruhe hier sterben.
Soldat: Bist du es, Nathan?
Nathan: Nathan ist vor Tagen gestorben, ich bin nicht der, den du suchst, geh.
Soldat: Wenn du weißt, dass Nathan gestorben ist, kannst du mir vielleicht
sagen, wo ich seine Familie finde?
Nathan: (Schaufelt Asche in seine Hände). Hier ist sie, seine Familie, die Frau
und Söhne alle sieben. (Drückt sein Gesicht in die Asche.)
Und jetzt wäre es gut, wenn du endlich wieder gehst.
Soldat: Allmächtiger Gott!... Ich kann aber nicht, ich habe einen Auftrag zu
erfüllen.
Muss Nathan finden.
Nathan: Was willst du von ihm?
Soldat: Das kann ich nur ihm sagen. (Will gehen, Kind fängt an zu weinen.)
Ruhig meine Kleine. (Nimmt ein Fläschchen aus der Tasche und gibt
dem Kind zu trinken.) Trink, dann wirst du groß und stark, wie der Papa.
Nathan: Bist ein eigenartiger Soldat, der statt einer Waffe sein Kind mit sich
trägt.
Soldat: Bist ein eigenartiger Mensch, der in der Asche Fremder sterben will.
Nathan: Angenommen, ich wäre Nathan?
Soldat: Dann würde ich dir sagen, dass ein Mann namens Wolf, so jedenfalls
hat man ihn gerufen, mir das Kind in die Hand drückte mit der Bitte es
nach Illuc zu Nathan zu bringen.
Nathan: Und die Mutter des Kindes.
Soldat: Starb schon kurz nach der Geburt.
Nathan: Und Wolf, wo ist er jetzt?
Soldat: Wurde nach Procul geschickt. Dort konnte er das Würmchen nicht
mit nehmen.
Nathan: Gib mir das…
Soldat: Ein Mädchen, Blanda, sie heißt Blanda.
Nathan: Blanda, welch schöner Name…. Aber ich werde dich Recha nennen.
Recha, meine Zarte, mein Püppchen.
Während Nathan sich mit dem Baby beschäftigt, entfernt sich der Soldat.
Nathan: Gott! Auf sieben nun doch schon eines wieder. (Sich suchend nach dem
Soldaten umsehend.) Danke danke. (Das Baby weint.) Du hast Recht.
Das ist kein Ort zum Aufwachsen für ein Kind. Lass uns gehen. Die
Welt ist groß…und irgendwo muss er ja sein, der Garten Eden.
1. Akt
Szene 1
Ort: 15 Jahre später Herrscherhaus
Fortuna und Dominato spielen Schach
Fortuna: Dominato, wo bist du heute mit deinen Gedanken? Was spielst du
zusammen?
Dominato: Nicht gut?
Fortuna: Nimm diesen Zug zurück!
Dominato: Warum?
Fortuna: Der Springer wird unbedeckt.
Dominato: Tatsächlich. Dann so!
Fortuna: Dann zieh ich in die Gabel!
Dominato: Wieder wahr – Dann Schach!
Fortuna: Was hilft dir das? Ich setze vor: und du bist wieder wie du warst.
Dominato: Ich glaube aus dieser Klemme komme ich nicht ungestraft davon.
Dann nimm dir eben den Springer.
Fortuna: Nein. Ich geh vorbei.
Dominato: Mach deine Rechnung mal nur nicht ohne den Wirt. So, dass hast du
nicht erwartet.
Fortuna: Natürlich nicht. Wie kann ich denn davon ausgehen, dass dir deine
Königin egal ist?
Dominato: Ist sie das?
Fortuna: Was ist los, du willst mit aller Gewalt verlieren?
Dominato: Lass uns aufhören. Ich habe einfach keine Lust zu spielen.
Fortuna: Welche Laus ist dir denn heute über die Leber gelaufen.
Dominato:Ein Gespräch mit Rudolf. Ich verstehe deine Ablehnung nicht.
Er sieht gut aus, ist intelligent, charmant und er liebt dich. Was willst
du mehr? Unsere beiden Häuser zusammen würden den ganzen
Erdball beherrschen.
Fortuna: Er ist ein Christ.
Dominato: Na und, wen interessiert das heute schon noch, die Welt ist global in
jeder Hinsicht.
Fortuna: Du kennst die Christen nicht, willst sie nicht kennen. Ihr stolz ist
Christen sein, nicht Menschen. Denn selbst das, was,noch von ihrem
Gründer her mit
Menschlichkeit ihren Glauben würzt, das lieben sie, nicht weil es
menschlich ist, weil Christus es lehrt, weil Christus es getan hat. Nur gut,
dass der ein so grundanständiger Mensch war. Nur gut, dass sie seine
Tugend auf Treu und Glauben nehmen können. Doch was heißt Tugend?
Nicht seine Tugend, sein Name soll überall verbreitet werden. Ihnen geht
es nur um den Namen.
Dominato: He, he! Da hat sich ja was angesammelt. Hast du das auswendig gelernt?
Fortuna: Ich wusste, dass diese Frage kommt. Und ich glaube
nicht, dass Mensch sein, den Menschen wichtiger ist, als ihr Glaube.
Dominato: Das sehe ich anders. Wir leben doch nicht mehr im Mittelalter. Die
Stadt ist das reinste Völkergemisch….
Fortuna: In der jeder sein eigenes Süppchen kocht, den eigenen Idealen und
Religionen nach hängt.
Es ist deine Macht, die alles zusammenhält, nicht ihr Wille menschlich
zu sein.
Dominato: Man könnte ein Experiment starten. Drei Menschen, drei Religionen
Fortuna: Weiter
Dominato: Treffen aufeinander..
Fortuna: Sehr originell, da kannst du auf den Marktplatz gehen
Dominato: sie kennen sich nicht…haben sich nie zuvor gesehen, nie
voneinander gehört…
Fortuna: Erstaunlich
Dominato: aber sie sind aufs engste miteinander verwandt. Bruder,
Schwester, Vater,Mutter und dann will ich sehen, was mehr gilt die
Religion oder die Idee im Menschsein gleich zu sein.
Fortuna: Keine schlechte Idee, aber wie soll das funktionieren?
Dominato: Ach, die Kriege der letzten Jahre haben die Menschen durcheinander
gewürfelt, ganze Familien zerrissen. Moleste soll eine Gruppe von
Wissenschaftlern zusammenstellen, die in der Lage sind, miteinander
eng Verwandte, auf die die Parameter passen , zu finden.
Fortuna: Nicht schlecht.
Dominato: Aaah der Gedanke mal wieder Gott zu sein, gibt mir ein gutes Gefühl.
Fortuna: Besser als Schach?
Dominato: Viel besser als Schach.
Fortuna: Unter welchem Vorwand willst du sie gefangen nehmen und das willst
du ja wohl.
Dominato: Vielleicht Terrorismusverdacht oder Spionage. Das funktioniert
immer.
Und jetzt werde ich mein Experiment bis aufs kleinste durchplanen.
Dominato geht ab.
Fortuna: Ist dieser Mann nun genial oder verrückt oder hat er nur Langeweile?
Ich befürchte letzteres.
Szene 2
Ort: Vor Nathans Haus
Matri: Nathan endlich, wie gut, dass ihr wieder da seid. Tausendmal habe ich
gesagt, ihr sollt das Handy nicht ausschalten.
Nathan lachend: Ach Matri, schlechte Nachrichten erfährt man immer noch
schnell genug und die Guten höre ich lieber von Angesicht als durchs
Handy. Aber Matri, ihr weint ja, was ist denn los ..?
Matri: Recha
Nathan: Recha, was ist mit Recha,( schüttelt Matri), sag schon.
Matri: Euer Haus wurde abgebrannt… und Recha …fast mit ihm.
Nathan: Fast? Ist sie gesund?
Matri: Ein Mann hat sie aus dem Feuer geholt, ihr Leben gerettet. Ja sie ist, soll
gesund sein
Nathan: Welcher Mann? Wo ist er? Wo ist Recha? Was heißt hier, soll gesund
sein. Weißt du es nicht?
Matri: Ich weiß nicht, wer der Mann ist, soll einer aus der Wüste gewesen sein.
Recha war im Krankenhaus. Aber als ich heute früh zu ihr ging, ich habe
Sie doch nur allein gelassen um frische Sachen zu holen und… was eine
Frau sonst noch braucht, da war sie weg.
Nathan: Wie weg?
Matri: Im Krankenhaus sagte man Männer von der Regierung hätten sie
abgeholt, wegen eines geplanten Attentates auf den Herrscher.
Nathan:Was?... So eine himmelschreiende Verleumdung. Recha, die Güte in
Person, ein Attentat…..ich muss mich setzen. So viel Jahre war Ruhe
und jetzt..........................soll.......................................
der Jude wieder brennen? Ist der Jude wieder Schuld an allem?
Was tue ich? Wen kann ich fragen? Denk nach Nathan, denk nach…..
Ich muss zum Herrscherhaus, sofort. Vielleicht, dass ich dort jemand
finde, der mir weiterhelfen kann. Geld öffnet so manches Tor. Und wenn
du etwas von dem Mann hörst, der sie aus dem Feuer geholt hat,( wedelt
demHandy), ruf mich an.
Nathan geht.
Matri: Ich muss zum Prior, um Beistand bitten und um Rat. Unsere Recha ist
doch ein getauftes Christenkind. Ich kann die Last, die mir dieses
Geheimnis aufbürdet nicht mehr länger allein tragen. Am besten gehe ich
direkt zur Beichte.
Szene 3
Ort: Ein Gefängnis/ zwei Zellen / in einer Recha in der anderen Ahmad
Recha: Hallo, ob du mir wohl mal dein Handy leihen könntet. Ich muss ganz
dringend meinen Vater anrufen.
Ahmad: Hier gibt es keinen Empfang, außerdem hat man mir das Handy
abgenommen.
Recha: Warum sind wir hier her gebracht worden? Und wo sind wir überhaupt?
Ahmad: Weshalb du hier bist, weiß ich nicht. Ich war definitiv zur falschen
Zeit am falschen Ort. Vielleicht hätte ich dich verbrennen lassen …
Recha: Und ich hatte schon Angst, dass du ein Mensch bist. Dabei bist du nur
ein Dummkopf, der sein Leben für eine Jüdin riskiert hat.
Ahmad: Oh, eine Jüdin. Na, das nächste Mal, frage ich vorher nach.
Recha: Wenn wir hier jemals wieder raus kommen…. Deine Hand ist verletzt.
(Rüttelt am Gitter) Hey, Hallo wir brauchen Hilfe.
Ahmad: Gib dir keine Mühe, für einen aus der Wüste kommt hier keiner
extra vorbei.
Recha: Was hat das denn damit zu tun. Hilfe, Hhhiiilllfffeee!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Ahmad: Bist auch nicht grad von dieser Welt was?
Recha: Ich war noch nie in der Wüste. Wie ist es da?
Ahmad: Sandig
Recha: Ach ja, da wäre ich ja jetzt nicht drauf gekommen. Sehr interessant.
Ahmad: Wir wohnen in Zelten und hüten Ziegen.
Recha, (betrachtet ihn von oben bis ): Du siehst nicht aus wie einer der Ziegen
hütet.
Ahmad (lacht): Du weißt doch gar nicht, wie einer aussieht, der Ziegen hütet.
Recha: Vermutlich nicht im Anzug.
Ahmad: Aber auch nur weil es dort dafür zu heiß ist, zumindest am Tag….
Na, gut, du willst wissen wie ich lebe? Da gibt es nicht viel zu erzählen.
Vater hat zwei Frauen. Die erste lebt mit seiner Mutter in der Wüste.
Das ist hart, aber Großmutter war immer da, will nicht weg, will da
sterben.
Recha: Kann man verstehen. Alte Bäume wollen nicht verpflanzt werden.
Sagt man doch, oder?
Ahmad: Ich wohne mit meiner Mutter, seiner zweiten Frau, in einem Dorf am
Rande der Wüste. Bei uns gibt es immer das neueste, was Technik zu
bieten hat. Und alles, was ein modernes Leben so ausmacht, Computer,
Autos...
Recha seufzt: Da hast du es gut. Mein Vater mag die Computer nicht. Er meint,
die Menschen vergessen dabei das wesentliche.
Ahmad: Und da wäre..?
Recha: Das Mensch sein,… was auch immer das heißen mag.
Ahmad: Scheint ein kluger Mann zu sein, dein Vater.
Recha: Voller Liebe, er ist voller Liebe zu Mensch und Tier. Er liebt das Leben,
wie ich es sonst nie bei einem anderen Menschen erlebt habe….
Verdammt ich muss mal. Hey hört mich denn keiner!
Ahmad, (deutet auf eine Toilette, die neben einem winzigen Waschbecken
angebracht ist:) Da wirst du die da benutzen müssen.
Recha: Du spinnst wohl. Ich mach doch nicht pippi während du mir zuschaust.
Ahmad: Das sollte dein kleinstes Problem sein. Ich kann mich ja um drehen
und mir die Ohren zu halten. (Er zeigt auf Kameras, die an der Wand
angebracht sind.)
Recha: Schei…. Hält sich den Mund zu…du meinst, die sehen und hören alles,
was wir machen mit?
Ahmad: Willkommen im neuen Jahrtausend!